Die feinen Unterschiede der modernen Anrede: „Du“ oder „Sie“?

Die feinen Unterschiede der modernen Anrede: „Du“ oder „Sie“?

Die Vor- und Nachteile von „Du“ und „Sie“ im Alltag

Im beruflichen Leben hat das „Sie“ immer noch Vorrang. Berufseinsteiger oder Neuankömmlinge sollten grundsätzlich anfangs siezen bzw. sich nach den Anredeformen erkundigen. Wer unsicher ist, kann nachfragen, z. B. „Wie wollen wir es mit der Anrede halten?“

Moderne Anrede: Ist das „Sie“ im Alltag altmodisch?

Siezen drückt eine gewisse Distanz zum Gegenüber aus. Diese kann unterschiedlich wirken. Ein „Sie“ ist respektvoller in der Wirkung und diskreter als ein „Du“, jedoch auch formeller und förmlicher. Auf der anderen Seite hält man sich mit einem „Sie“ jene Menschen leichter vom Hals, die sich nur zu gerne vorschnell vertraulich und indiskret verhalten.

Siezen kann natürlich auch ablehnend wirken. Das kommt jedoch stark auf den Kontext an. Wer die meisten Kollegen duzt und einige wenige siezt, bringt damit wahrscheinlich eher zum Ausdruck, dass er mit diesen Menschen nicht sonderlich gut klarkommt und sie sich vom sprichwörtlichen Hals halten möchte. Bleibt man trotz mehrmaliger Gelegenheit beim „Sie“, strahlt man auch eher Steifheit bzw. altmodisches Verhalten aus.

Wird im Geschäftsleben und im privaten Bereich gesiezt, wenn es sich um Kontakte zu fremden Menschen handelt, hat das mitunter den Vorteil, dass man die Menschen in Ruhe kennenlernen kann, um dann zu entscheiden, ob ein „Du“ angebracht ist und der erste Eindruck auch der Richtige war.

Unbedingt bedenken sollte man, dass eine Rückkehr zum „Sie“ keine gute Idee ist. Also gilt: immer gut überlegen, ob und wem man das „Du“ anbietet. Übrigens stellt auch ein übereiltes Duzen nicht sicher, dass sich ein freundschaftliches Verhältnis einstellt. Umgekehrt kann das Siezen durchaus einen freundschaftlichen, respektvollen Umgang miteinander bedeuten.

Auf alle Fälle wird mit dem „Sie“ ein höflicher Umgang gefördert. Denn wer sich in einer Situation befindet, in der er sich ärgert, dem wird wohl schneller ein „Idiot“ herausrutschen, wenn sich geduzt wird. Menschen, die geduzt werden, lassen sich schneller und leichter verbal bewerten, als Menschen, die man siezt. „Sie Idiot“ kommt demnach wesentlich schwerer von den Lippen.

Wie gehe ich mit Zwangsduzern um?

In einigen Arbeitsumgebungen kann das „Du“ zu einer bloßen Floskel werden, die nicht durch echte Kollegialität gedeckt ist. Noch schlimmer ist es, wenn das „Du“ dazu dient, ein schlechtes Arbeitsklima zu kaschieren oder Machtverhältnisse zu verschleiern. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, abzuwägen, ob Sie sich darauf einlassen möchten.

Möchten Sie sich partout nicht auf das „Du“ einlassen, dass ist höflich ablehnen der Schlüssel: „Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich fühle mich wohler beim Sie.“ Diese Ablehnung zeigt, dass Sie sich Ihrer Grenzen bewusst sind und Respekt einfordern, ohne dabei unhöflich zu wirken.

Sind Duzer sympathischer und unkomplizierter als Siezer?

Ob „Du“ oder „Sie“, am Ende zählen Warmherzigkeit und Charakter. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Menschen, die das „Du“ benutzen, automatisch sympathischer und unkomplizierter sind. Tatsächlich hängen die Sympathie und der zwischenmenschliche Umgang viel mehr von der Persönlichkeit und dem Benehmen ab als von der Anredeform.

Stellen Sie sich vor, Sie treffen den Papst oder den Dalai Lama, vielleicht sogar den Bundeskanzler. Würden Sie wirklich in Versuchung geraten, diese hoch angesehenen Persönlichkeiten zu duzen? Wohl kaum.

Unterschiedliche Situationen erfordern unterschiedliche Verhaltensweisen und Anreden – ein klassischer Grundsatz nach Knigge, dem großen Meister der Etikette.

„Gar zu leicht missbrauchen oder vernachlässigen uns die Menschen, sobald wir mit ihnen vertraulich werden. Um angenehm zu leben, muss man fast immer ein Fremder unter den Leuten bleiben.“

Dieses Zitat von Knigge hebt hervor, dass zu viel Vertraulichkeit oft zu Vernachlässigung oder Missbrauch führen kann und dass es manchmal besser ist, eine gewisse Distanz zu wahren, um ein angenehmes Leben zu führen.

Es unterstreicht die Bedeutung des „Siezens“ und zeigt, dass Knigge den Wert von respektvoller Distanz und formeller Anrede kannte und schätzte.

Knigge´s Ansicht in diesem Bereich kann als Hinweis gesehen werden, dass der Übergang zum „Du“ sorgfältig überlegt und nicht leichtfertig gehandhabt werden sollte, um respektvolle und professionelle Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Was passiert, wenn man sich gedankenlos oder grundlos duzt?

Das ungefragte „Du“ ist wie ein Freifahrtschein zur Freundschaft, ohne vorher den langen Weg der Bekanntschaft gegangen zu sein. Es signalisiert eine Vertrautheit zum Nulltarif, die bei manchen Menschen Stirnrunzeln hervorruft. Kein Wunder, dass sich viele dabei überrumpelt fühlen. Ein ungefragtes „Du“ kann leicht zu Missverständnissen führen.

Ein freundlicher und respektvoller Umgang ist also das A und O im Umgang miteinander. Besser ist, nachzufragen, ob ein respektvolles „Du“ dem Gegenüber angenehm wäre. So verliert man selbst auch nicht das Gesicht, sollte das Gegenüber über das übergestülpte „Du“ not amused sein und sich dieses verbitten. Das wäre ziemlich peinlich.

Muss ich ein angebotenes Du akzeptieren, wenn ich es als unpassend oder unangenehm empfinde?

Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo. Das gilt nicht nur beim Laufen oder Essen, sondern auch beim Warmwerden mit anderen Menschen. Wenn Ihnen das „Du“ zu schnell angeboten wird, können Sie höflich darauf hinweisen: „Wären Sie mir böse, wenn wir beim Sie bleiben?“ oder „Aus Respekt Ihnen gegenüber würde ich gerne beim „Sie“ bleiben.“ Eine derartige Aussage ist höflich und wertschätzend und trägt dazu bei, dass Ihr Gegenüber nicht das Gesicht verliert. „Wir haben doch nicht in der Sandkiste miteinander gespielt, warum sollten wir uns dann duzen?“ wäre eine sehr ungeschickte Formulierung, um ein „Du“-Angebot abzulehnen.

Respekt und Distanz – gilt das auch für die Anrede?

Seit Aufkommen der #MeToo-Bewegung ist respektvolles Verhalten unumgänglich. Übergriffiges Verhalten, sei es physisch oder verbal, wird heute nicht mehr toleriert. Ein seriöses Unternehmen hat einen Verhaltenskodex, der auch verbale Übergriffigkeiten regelt. Der Verzicht auf unnötige Vertraulichkeit und die Einhaltung einer respektvollen Distanz sind hier essenziell. Ein derartiger Verhaltenskodex zeigt nicht nur, dass das Unternehmen die Würde seiner Mitarbeiter achtet, sondern auch, dass es sich seiner sozialen Verantwortung bewusst ist. Solche Kodizes sollten klar kommuniziert und konsequent durchgesetzt werden.

Der oftmals aufkommende Verweis auf angloamerikanische Gepflogenheiten, worin es kein „Sie“ geben würde, hinkt im Übrigen, da die angloamerikanische Höflichkeitskultur über subtile Respektsfloskeln verfügt, von denen wir im deutschsprachigen Raum wenig Gebrauch machen. Das englische „you“ bedeutet demnach nicht „Du“, sondern ist eher eine Form der Anrede, die der altdeutschen Form „Ihr“ näher kommt, ein Plural, der Respekt zum Ausdruck bringt.

Denken Sie zum Beispiel nur an „You, Mr. President.“ Würden Sie den amerikanischen Präsidenten duzen? Wohl kaum.

Handschlag und siezen statt Umarmung und duzen – ist das noch zeitgemäß?

Wir sehen immer wieder Politiker, die sich bei jeder nur denkbaren Möglichkeit umarmen – dennoch sind dies (in den meisten Fällen) keine Freundschaftsbezeichnungen, sollen jedoch dem Zuseher vorgaukeln: „Alles gut, wir mögen uns!“

Dennoch: vergessen wir den guten alten Handschlag nicht. Ein Handschlag signalisiert Offenheit und Respekt, ohne die persönliche Distanz zu verletzen.

Ein Handschlag, begleitet von einem respektvollen „Sie“, zeigt dem Gegenüber, dass man bereit ist, offen und respektvoll zu kommunizieren, ohne dabei die Grenzen der Vertraulichkeit zu überschreiten. Es ist eine einfache, aber wirkungsvolle Geste, die oft unterschätzt wird.

moderne Anrede: das Fazit

Die Entscheidung zwischen „Du“ und „Sie“ ist mehr als nur eine sprachliche Formalität. Sie spiegelt wider, wie wir Respekt, Nähe und Distanz in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen handhaben. Ob im privaten oder beruflichen Kontext, das richtige Maß an Vertraulichkeit und Formalität zu finden, ist entscheidend für einen respektvollen und produktiven Umgang miteinander.

Denken Sie immer daran: Ein freundliches „Sie“ kann genauso herzlich und respektvoll sein wie ein vertrauliches „Du“. Es kommt auf den Kontext, die beteiligten Personen und die jeweilige Situation an. Seien Sie sensibel und respektvoll im Umgang mit anderen, und Sie werden feststellen, dass die Kommunikation harmonischer und effektiver verläuft.

Damit tragen wir alle dazu bei, die Welt ein kleines bisschen wertschätzender zu machen.

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